Schiffe sollten langsamer fahren

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Wenn Schiffe langsamer fahren, emittieren sie weniger CO₂ und andere Schadstoffe, wie Ruß, Schwefeloxide oder Stickoxide. Zudem könnten Wale langsamen Schiffen besser ausweichen. Außerdem reduzieren sie auf diese Weise ihren akustischen Fußabdruck, erzeugen sehr viel weniger Unterwasserlärm. Das belgische Umweltministerium stellte dazu Ende März 2021 zwei Studien vor. Am stärksten würden sich langsamere Fahrtgeschwindigkeiten bei mittelgroßen Chemikalien-Tankern, großen Containerschiffen, kleineren Handelsschiffen und Schiffen mit temperierten Containern auswirken.

Langsamer fahrende Schiffe entlasten Klima und Umwelt

Für die Studien analysierte die niederländische TNO Research Group verschiedene Szenarien mit realen Schifffahrtsdaten aus der Nordsee.

Bereits eine geringfügige Senkung der Geschwindigkeit um 25 % für alle Schiffstypen bringt viel Entlastung. So würde der Ausstoß von CO₂, Schwefeloxiden (SOx), Stickoxiden (NOx) und Ruß um ein Zehntel sinken. Hinzu kommt, dass es unter Wasser sehr viel leiser wäre. Langsam fahrende Schiffe hätten zudem niedrigere Transportkosten zur Folge.

Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse von CE Delft spricht von einem möglichen sozioökonomischen Nutzen in Höhe von 3,4 bis 4,5 Milliarden Euro für Handelsschiffe in den EU-Gewässern (basierend auf Datensätzen von 2018) ohne Kosten für notwendige logistische Anpassungen. In europäischen Gewässern fahren bereits Schiffe aus 40 % aller Schiffskategorien mit maximal drei Viertel ihrer möglichen Geschwindigkeit – den Blue Speeds. Daher müsste die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Flottenebene lediglich um 5 % gesenkt werden.

Langsame Schiffe entlasten Klima und Meeresumwelt: Voll beladener Containerfrachter.

Zu viel Lärm im Mittelmeer

Eine Geschwindigkeits-Reduzierung auf 75% der maximalen Fahrtgeschwindigkeit senkt die von den Schiffen ausgehenden Lärmemissionen um bis zu 25%. Die Ergebnisse zeigen, dass langsame fahrende Schiffe viele Vorteile haben. Besonders in stark genutzten Gebieten, wie dem Mittelmeer. Im Verhältnis zu seiner kleinen Fläche ist es eines der meistbefahrenen Gewässer der Welt. Rund zehn Prozent des weltweiten Containeraufkommens (zwanzig Prozent des weltweiten Handels) wird durchs Mittelmeer transportiert. Deshalb ist es hier auch sehr laut. Dies zeigte eine zehnjährige Analyse von Wissenschaftlern aus Frankreich, Italien, der Schweiz und den USA vom Januar 2016.

Ihr Bericht (Lärm-Hotspots im Mittelmeer) beschreibt die zeitlich-räumliche Entwicklung vom Unterwasserlärm. Es war die erste flächendeckende Erhebung zur Dichte lärmintensiver Aktivitäten nebst der Kartierung der Lärmquellen.

Lärm-Hotspots des Mittelmeers unter Berücksichtigung für Wale und Delfine ausgewiesener oder empfohlener Schutzzonen. Quelle: ACCOBAMS.
Lärm-Hotspots des Mittelmeers unter Berücksichtigung für Wale und Delfine ausgewiesener oder empfohlener Schutzzonen – Quelle: ACCOBAMS

Hierfür analysierten die Forscher unzählige Daten von 1446 Häfen, 228 Ölplattformen, 830 seismischen Explorationsgebieten, 7 Millionen Schiffspositionen, 52 Windparkprojekten sowie offiziell zugänglichen Angaben zu militärischen Aktivitäten.

Demnach ist es selbst in bereits ausgewiesenen Schutzzonen sowie in Kernzonen, die besonders wichtig für Meeressäuger sind, viel zu laut. So etwa im Meeressäugerschutzgebiet Pelagos im Ligurischen Meer, in der Straße von Sizilien, in Teilen des Hellenischen Grabens, aber auch in den Gewässern zwischen den Balearen und dem spanischen Festland.

Spanien reagiert

Daraufhin stellte Spanien im Dezember 2017 die Gewässer zwischen den Balearen und dem spanischen Festland als wichtigen Migrationskorridor für Wale und Delfine als SPAMI (Schutzgebiet von mediterraner Bedeutung/Specially Protected Area of Mediterranean Importance) unter Schutz. Dies hat auch ein striktes Management lärmintensiver Aktivitäten zur Folge.


Hintergrundinformationen Seeschifffahrt

Treibhausgasemissionen

The State of Shipping & Oceans Report - cover.

Seit 1992 hat die Seeschifffahrt weltweit um über 300 % zugenommen. Damit stieg auch der Anteil der Schifffahrt an den weltweiten Treibhausgasemissionen. Und zwar von 2,76 % im Jahr 2012 auf 3 %.

In absoluten Zahlen stiegen die Emissionen der gesamten Schifffahrt (international, national und Fischerei) von 2012 bis 2018 von 977 auf 1076 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente (CO₂ plus Methan und Lachgas in CO₂ umgerechnet). Das entspricht einem Anstieg um 9,6 %. Den größten Anteil der Treibhausgasemissionen der Schifffahrt hat dabei CO₂. Hier stiegen die Emissionen von 962 auf 1056 Mio. Tonnen, nahmen damit um 9,3 % zu.

Aufgrund der meist schlechten Qualität von billigem Schweröl oder Rückstandölen kommen zusätzliche Belastungen durch große Mengen an Schadgasen wie Schwefeloxiden, Stickoxiden, Alkane, Alkene, aromatische Kohlenwasserstoffe, Nickel, Vanadium, Feinstaub, Ruß hinzu.

Der Schwefelgehalt von Schweröl kann bis zu 4,5 % betragen1. Das ist das Tausendfache von schwefelarmem Schiffsdiesel. Kein Wunder, dass die Seeschifffahrt für 13 % der globalen SO2-Emissionen und 15 % der Stickoxide verantwortlich ist. Schwefeldioxid bildet im Wasser Schwefelsäure. Einer der Hauptantreiber der Versauerung der Meere.

Mittlerweile hat ein Umdenken eingesetzt. Im April 2018 beschloss die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO), die Menge der Treibhausgasemissionen in der Seeschifffahrt bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 2008 zu halbieren. Dabei sollen CO₂-Emissionen bis 2050 bereits um 70 Prozent sinken. Ein ambitionierter und teurer Plan. Seit 2020 erlaubt die IMO zudem nur noch 0,5 % Schwefel im Schiffsdiesel.

Eine Geschwindigkeits-Reduzierung auf 75 % der maximalen Fahrtgeschwindigkeit könnte die CO₂-Emissionen und die anderer Klimagase um bis zu 8 % reduzieren.

Unterwasserlärm

Unterwasserlärm ist ein immer stärker werdendes, allgegenwärtiges Problem für alle Meerestiere. Besonders für die stark von akustischen Signalen abhängigen Meeressäuger. Denn Wale, Delfine und Schweinswale setzen zur Nahrungssuche, Nah- und Fernkommunikation und für ihre Orientierung im Lebensraum akustische Signale ein. Diese können vom Schiffslärm und anderen von Menschen verursachten Lärmquellen überlagert und unkenntlich gemacht werden.

Zudem führt Lärm zu erhöhtem Stress, der das Immunsystem der Tiere schädigt. Lärm senkt außerdem ihren Fortpflanzungserfolg und vertreibt sie aus ihren Lebensräumen. Im Extremfall können plötzliche, schall-intensive Ereignisse auch zum Tod von Meeressäugern führen. Hiervon sind die besonders tief tauchenden Schnabelwale betroffen.

Kontinuierliche Lärmexposition führt zu Taubheit und kann Ursache für Schiffskollisionen und Strandungen sein. Da die Schifffahrt für den Großteil des gestiegenen Dauerlärmpegels im Meer verantwortlich ist, hat sie mit Schiffen, die langsamer fahren, auch den Schlüssel zur Senkung dieser Umweltbelastung in der Hand.

Bei einer Geschwindigkeitsreduktion aller lärmintensiven Schiffe um etwa 10 % würde die Lärmbelastung in den Ozeanen unmittelbar um 40 % sinken. Eine kleine Änderung mit großer Wirkung!

Wenn Schiffe langsam fahren, gibt es weniger Kollisionen mit Walen

Immer mehr und immer schneller fahrende Schiffe sind eine stetig größer werdende Gefahr für langsam an der Wasseroberfläche schwimmende oder ruhende Wale und andere Meerestiere. Besonders große Wale, wie Blau-, Finn-, Buckel-, Pottwal oder Nordatlantische Glattwale ist das Risiko hoch, von einem Schiff überfahren zu werden. Eine Geschwindigkeits-Reduzierung auf 75 % der maximalen Fahrtgeschwindigkeit könnte das Kollisionsrisiko für Wale um bis zu 23 % verringern.

Langsame Schiffe bedeutet weniger toter Wale.

Dieses männliche Nordkaperkalb wurde knapp ein halbes Jahr alt. Denn Anfang Juli 2020 starb es vor New Jersey durch eine Schiffskollision. © Clearwater Marine Aquarium Research (CMAR)

Bei den Nordatlantischen Glattwalen bedrohen Schiffskollisionen bereits das Überleben der Art. Bei den Kanarischen Inseln werden Pottwale oft Opfer von Schnellfähren. Schätzungen gehen von mindestens 20 getöteten Walen jährlich aus. Vor Sri Lanka kommt es jedes Jahr zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen Zwergblauwalen und Containerschiffen. Viele davon enden tödlich.

Schiffe müssen langsam fahren, um Schiffskollisionen für Nordkaper zu vermeiden.
Quelle: NOAA Fisheries

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h die Zahl der Zusammenstöße deutlich ansteigt. Deshalb gibt es in einigen sensiblen Gebieten bereits Zonen, in denen Schiffe langsam fahren müssen. So vor der Ostküste der USA entlang der Wanderrouten der Glattwale. Hier gibt es sogar temporäre Fahrverbote. Trotzdem können Kollisionen nicht gänzlich vermieden werden.

Während man diese Zonen flexibel auf durchziehende Wale jeweils neu anpasst, gilt in der Straße von Gibraltar seit 2007 zum Schutz der hier durchziehenden Pottwale ein Tempolimit von 13 Knoten (24 km/h).

  1. „Zieht euch warm an, es wird noch heisser!“ von Sven Plöger ↩︎

Titelfoto oben: Ulrike Mai auf Pixabay


Weiterführende Informationen